Wer hier BILD-kompatible Storys sucht mit dem Grundtenor
"Wir hatten ja nichts und die bösen Kommunisten etc.", der ist hier erst mal
falsch. Inzwischen finde ich das alles nur noch lustig. Ist eben Geschichte und lange her.
Damals war die Lösung von Problemen die heutzutage kein Mensch mehr hat auch irgendwie normal.
Ich bin in der DDR geboren und aufgewachsen,
man kam klar und machte sein Ding. Verwöhnt hat uns
allerdings auch keiner.
Wie dem auch sei, die Musikszene in der DDR war jenseits von "Bong" und "rund"
(Musiksendungen des DDR-Fernsehens) weit
vielschichtiger als die meisten Leute glauben. Mit ein wenig Eigeninitiative
und einem gerüttelten Maß Respektlosigkeit kam man da ganz schön weit.
Gelegentlich hört man ja so Geschichten von Drangsalierung durch die Obrigkeit, Auftrittsverboten,
Zensur usw. Das hat es alles gegeben und ich will da auch nichts schönreden. Mit dem Muggeralltag hatte das aber
wenig zu tun. Ich für meinen Teil habe so etwas nicht erlebt, und ich
kenne auch niemanden persönlich dem solcherlei wiederfahren ist, jedenfalls nicht aus politischen Gründen.
Das die Polizei Veranstaltungen wegen Randale auflöst ist kein Phänomen der Kommunisten gewesen, auch wenn
deren Duldsamkeit gegenüber jugendlichem Leichtsinn nicht sonderlich ausgeprägt war. Neben der Strafgerichtsbarkeit
der DDR wirkt selbst ein "Richter Gnadenlos" aus Hamburg wie ein ältlicher Herbergsvater. Aber das ist eine
andere Geschichte und gehört nicht hierher.
Die Amateure...
...als solche bildeten im Großen und Ganzen das Rückgrat der "kulturellen Grundversorgung" in der DDR. Ob nun DJ`s
oder Musiker und Bands, die meisten von ihnen gingen hauptberuflich einer mehr oder weniger geregelten Tätigkeit nach. Sehr beliebt
waren Hausmeisterjobs in Kindergärten oder sonstigen öffentlichen Einrichtungen. Die Hauptsache war man kam Freitags
rechtzeitig vom Hof und mußte Montag in aller Frühe nicht mit Kreativität und Energie glänzen. Natürlich bestätigen auch hier die
Ausnahmen die Regel, aber wer konnte sah zu das er halt so einen Job kriegte. Wer das nicht hinbekam
hatte ein Problem, das meistens mit tageweisem Urlaubnehmen gelöst wurde. Meistens funktionierte das ganz gut, die Vorgesetzten
mußten halt mitspielen. Taten sie das nicht war man Neese, aber das heute ja auch noch so.
Studieren half übrigens damals nicht gegen das Zeitproblem. Nach fünf Jahren war Prüfung, Punkt. Dem entging man nur durch schwere Krankheit
oder Schwangerschaft oder beidem. Die Regelstudienzeit war noch nicht erfunden, daher konnte sie auch nicht überschritten werden.
Auftritte zu kriegen war für Coverbands und DJs nicht so problematisch wie heute. Jede Kleinstadt hatte ein Kulturhaus und die meisten
Dorfkneipen einen Saal, in dem dann mehr oder weniger regelmäßig die Post abging. Die FDJ unterhielt ebenfalls zahlreiche Einrichtungen vom
Klub bis zum Kulturhaus für eintausend Leute und mehr. Die hatten einen regelrechten Etat für alle möglichen Veranstaltungen. Der
Mau-Club in Rostock geht beispielsweise in seinen Ursprüngen auf so eine FDJ-Einrichtung zurück. Heute ist das ein gut eingeführter
Indieschuppen mit durchaus überregionaler Bedeutung. Damals fand dort vom Kindertheater über Tanzveranstaltungen bis zum Punkkonzert so
ziemlich alles statt. Bands wie "Sandow" oder "Feeling B" gaben sich da Ende der 80er die Klinke in die Hand.
Jedenfalls war es zu der Zeit völlig normal das zum Tanz bei größeren Veranstaltungen eine Band spielte. Und die war meistens eine Amateurband.

Wer dann eigene Musik machen wollte hatte es da schon schwerer. Man kam im Allgemeinen an der FDJ bzw. bei größerem Erfolg an Partei
und Regierung selbst theoretisch nicht vorbei. Das lag schon an den Strukturen des Kulturbetriebes. Die Plattenfirma Amiga und
die Konzertagentur waren nun mal volkseigen, die Chefs und leitenden Angestellten wahrscheinlich größtenteils in der Partei.
Private Veranstalter, wenn es sie dann gegeben hat, waren halt die Kneiper, und die wollten auch Geld verdienen. Also gabs Sonnabend
Tanz statt Trash.
Das es sowas wie einen funktionierenden Underground und Subkulturen in der DDR überhaupt gab lag meiner Meinung nach am privaten Engagement vieler
Jugendklubchefs und einiger privaten Kneiper, die eben über die Grenzen des Mainstream hinaus Sachen veranstalteten die in den
Beschlüssen des neunten Parteitags nun mal nicht vorkamen. Nicht zu vergessen die vielen Studentenklubs. Mal davon abgesehen das sich Kreativtät
jedweder Art eben doch nicht per Gesetz verbieten läßt.
Gerade in den letzten Jahren der DDR wurden die Sitten und Gebräuchen immer lockerer. Die Obrigkeit
merkte immer mehr das sie auf die Dauer mit ihren Repressalien mehr Boden verlor als gutmachte.
Mit ein bißchen Fantasie
ließ sich also auch hier einiges reißen, und wenn die Musik noch so schräg war. Einiges davon schaffte es sogar bis ins Radio (meist DT64)
oder zu Amiga. Bands wie "Die Skeptiker" und "Die Anderen" waren
nun weiß Gott nicht angepaßt, hatten aber trotzdem Auftrittsmöglichkeiten und Airplay. "Feeling B" war bei Amiga unter Vertrag.
Wer nun aber auch noch kritische Texte schreiben wollte, die am Besten auch noch gegen Partei und Staat liefen, nun, machen wirs kurz,
der war schneller weg vom Fenster als er "piep" sagen konnte. Ein Beispiel dafür ist die immer noch existierende Band "Freygang".
Transportfragen
Es dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben das die Beweglichkeit des sozialistischen Einheitsbürgers nicht nur fernreisetechnisch sondern
auch auf dem automobilen Sektor nicht unumschränkt war. Allein der Erwerb des Führerscheins brachte gewisse Hürden und Wartezeiten mit sich.
Und dann ein brauchbares Fahrzeug zu bekommen war ein logistisches Meisterstück. Die meisten Autos in der DDR, ob nun aus der Sowjetunion, der Tschecheslowakei,
aus Rumänien oder aus eigener Produktion, waren nach ein paar Jahren eben doch nur noch mühsam am laufen gehaltene Schrotthaufen, frisch lackiert oder nicht.
Was auf den Straßen der DDR so unterwegs war hätte jeden pflichtbewußten TÜV-Ingenieur zum sofortigen Suizid veranlaßt. Nur, es gab eben
keinen TÜV. Technische Kontrollen durch die Polizei hatten absoluten Ausnahmecharakter. Die Polizei wurde in diesen Dingen praktisch erst aktiv wenn der Schrotti
einen Unfall verursacht hatte, und selbst dann mußte es schon mächtig geknallt haben.
Nichtsdestotrotz mußte aber auch der linientreuste Kulturschaffende ja nun irgendwie zur Mugge kommen. Der Einfallsreichtum und der Arbeitsaufwand in dieser Frage
kannte keine Grenzen. Die preiswerteste Lösung war die mit PKW und Hänger. Warum Kleintransporter und LKWs nur bedingt in Frage kamen erkläre ich später.
Einen PKW zu besorgen war vor allem eine Geldfrage. Selbst mehrere Jahre alte Fahrzeuge wurden immer noch zum Neupreis gehandelt, manchmal sogar darüber.
Ein fabrikneuer "Lada" kostete so um die 30.000 Mark, bei einem Durschnittsverdienst von 800 ? Mark. Trabanten kosteten irgendwas ab 10.000 Mark, je
nach Ausstattung. Außerdem bekam die Liste der aufpreispflichtigen Extras irgendwann VW-ähnliche Dimensionen. Das Lenkrad war praktisch ein "Extra".
Da Trabbis und Wartburgs wegen mangelnder Leistungsfähigkeit meist nicht in Frage kamen waren Wolgas und Moskvitch die beliebtesten Muggerautos. Mit denen konnte
man auch zu fünft noch ganz gut verreisen. Außerdem hatten die eine für damalige Verhältnisse relativ große zugelassene Zuglast.
Der Moskvich war, wenn ich mich recht erinnere, mit 750 kg Spitzenreiter in den Warschauer Vertragsstaaten.
Nun gings aber erst richtig los! Woher eine
Anhängerkupplung bekommen? Bei IKN (stellt euch VAG mit Fremdmarken und allen möglichen Ersatzteilen vor) war meistens Fehlanzeige. Also wurden Bekannte bemüht, alle
Werkstätten in der Umgebung mehrmals die Woche abgegrast und Lageristen in der ganzen Republik belästigt. Meist wurde dann Tante Frieda aus Erfurt oder Gera
bei dem netten Freund von Onkel Karl fündig oder Cousin Martin hatte so ein Ding vor Jahren mal für Kumpel Michael besorgt der es dann aber nicht mehr brauchte und nun
lags im Keller, aber für ne Flasche und nen Schein könnte man ja mal drüber reden...
Mal ganz nebenbei, kaum jemand hatte zu der Zeit privat ein Telefon. Da kriegt
die Geschichte doch gleich eine ganz andere Dimension, oder?
Nachdem diese Klippe nun erfolgreich umschifft war stellte sich die nächste Frage, die da lautete:
Woher zum Henker kriege ich einen Anhänger? Verschärfend wirkte die Tatsache das ein Hänger mit
Plane nicht in Frage kam, jedenfalls nicht als Dauerlösung. Ich habe keine Ahnung ob es PKW-Anhänger
mit Kastenaufbau in der DDR überhaupt in Serie gab, ich kann mich jedenfalls nicht erinnern jemals
einen gesehen zu haben. Die meisten waren mehr oder weniger gelungene Eigenbauten.
Da wurden nach Feierabend in den volkseigenen Schlossereien ganze Hängerparks gefertigt. Das wichtigste
Utensil dafür war meines Wissens nach die Hinterachse eines "Wartburgs 311". Die bekam man unter
der Hand vom Schrottplatz oder von Freunden. Der Rest wurde aus dem zusammengeschweißt was eben
gerade da war. Kupplung und Auflaufbremse mußten dann wieder besorgt werden. Das Verfahren war
absolut legal. Privatarbeit nach Feierabend konnte beim Meister angemeldet werden. Der Partei wars
auch recht, denn was in Eigenleistung hergestellt wurde mußte nicht über den Handel gekauft
werden. Für die "Wessi`s" unter euch: versucht gar nicht erst das sozialistische Wirtschaftssystem
zu verstehen. Dazu fehlt euch der Hintergrund, ist nicht böse gemeint. Es war in sich logisch
und hat länger funktioniert als alle westlichen Wirtschaftsexperten ausgerechnet haben. Gescheitert ist die
DDR jedenfalls nicht an der Privatarbeit und dem zugegebenermaßen hastigen Materialklau in den
Betrieben.
Zitat Walter Ullbricht: "Aus den sozialistischen Betrieben ist noch viel mehr herauszuholen!" Zitat Ende.
Irgendwie haben alle den Mann falsch verstanden.

Hänger beschafft, Muggen gemacht, die Hallen wurden größer. Fazit: Die Anlage ist zu groß für einen
PKW-Hänger, wir brauchen einen LKW. Dumm gelaufen. Einen LKW zu kaufen war für einen Musiker so
ungefähr das Gleiche wie die Umrundung des Kap Horns für einen Jollensegler. Im Prinzip nicht
unmöglich, aber...
Als erstes brauchte man dafür eine Freigabe zum Erwerb eines Nutzfahrzeuges. Das setzte einen
riesigen Papierkrieg mit den zuständigen Behörden voraus, Antrag, Begründung, Ablehnung, Wiederspruch,
faule Ausreden auf beiden Seiten, haarsträubende Diskussionen a la:" Aber liebe Genossen, schon
Marx hat gesagt die Kultur ist das Vorfeld der Gesellschaft!" (vorzutragen mit möglichst entrüstetem
Unterton). Wieder Ablehnung, alles noch mal von vorn usw. Irgendwann dann die Genehmigung. Na schön,
aber die Genehmigung alleine fährt Dir nicht die Anlage ins Kulturhaus. NIEMAND kann einem so einen
LKW verkaufen. Sind einfach keine da. Manchmal verkauften Betriebe ihre ausrangierten Kisten, das kam aber selten
vor. So einfach wurde in der DDR nichts ausrangiert. Und wenn doch hatte das handfeste Gründe.
Einer dieser aus gutem Grund verkauften LKWs hat meine damalige Band das Jahr 1989 über zu den Auftritten
quer durch die Republik gefahren. Das Foto rechts zeigt ihn ein wenig. Das gute Stück war ein Jahr
jünger als ich, also zwanzig. Gerade gut eingefahren eben. Den zerbeulten Kühlergrill
haben wir zuerst abgeschraubt als wir den Motor wechselten. Auf dem Parkplatz vor dem Haus, mit je
einem Satz Maul-und Ringschlüsseln, jeder Menge guten Willen und einer Kiste Bier. Wie wir die
Maschine da reingehoben haben ist mir heute noch unklar.
Woher der neue Motor kam wollt ihr nicht wissen, glaubt mir.
Noch mal kurz zum Thema Mugger und Ersatzteile:
Mein Vater fuhr eine halbe Ewigkeit mit abgefahrenen Reifen durch unsere sozialistische Heimat.
Kein Mensch konnte auf halbwegs legale Weise Ersatz beschaffen und Papa ist nun mal ein ehrlicher Mann.
Irgendwann kam er dann von einem Auftritt zurück und grinste wie ein Waldkater. Sein Reifenproblem
war gelöst. Ratet mal wo er aufgetreten ist. Richtig, bei "Pneumant". Die gibts übrigens heute
noch als Billiglabel für irgendeine Marke. Damals war das der einzige? Reifenhersteller der DDR und
kam wie alle anderen Betriebe nicht gegen den Bedarf an. Aber das nur nebenbei.
Equipment?

Was ihr hier auf dem Foto links seht ist ein Lichtpult. Ehrlich. Und es zeigt das in allen technischen
Fragen Erindungsgeist und Improvisationstalent undabdingbare Wesenszüge des real existierenden
Bühnentechnikers waren. Das ist natürlich auch heute noch so, aber halt nicht bei jeder Mugge!
Aber mal ernsthaft, irgendwie haben wirs immer laut, hell und bunt gekriegt, die Frage war halt
wie lange das anhielt...
So lange man in kleinen Klubs, Bars etc. auftrat war man weitgehend störfrei. Die handelsüblichen
Anlagen waren wohl genau dafür konzipiert. Außerdem waren die Boxen noch nicht so hochgezüchtet
wie heute. Das machte sie zwar groß und schwer (eine 60 Watt PA Box wog so um die 30 Kg bei Maßen
von 50 x 85 x 28 cm), sie klangen aber selbst für heutige Maßstäbe
recht ausgewogen und entwickelten gerade im Baßbereich einen ganz guten Druck. Wirklich brilliante
Höhen waren bauartbedingt nicht zu erwarten, das fiel aber nicht weiter auf, zumal die CD
noch nicht erfunden war. Daher waren auch die Hörgewohnheiten ganz andere als
heutzutage.
Die in der DDR von Herstellern wie "Vermona" produzierten Geräte waren im Grunde genommen gar nicht
so übel, im Prinzip jedenfalls. Relativ robust und durchdacht wie sie nun mal waren konnte man
damit schon einiges anstellen. Das Hauptproblem bestand darin das sie im Laden sündhaft teuer
waren und nicht in ausreichender Menge zu haben waren. Außerdem lag die Schallgrenze bei der
Endstufenleistung lange Zeit bei 100 Watt pro Kanal, das ist im Grunde genommen gar nichts. So eine Endstufe kostete
um die 1000 Mark.
Ich will das Ganze mal am Beispiel des "Vermona" Mischpultes "1222" erklären. Böse Zungen
behaupteten das sich die Zahl 1222 auf das Entwicklungsjahr bezog. Jedenfalls war diese Konsole bei allen
Leuten die mit DDR-Technik arbeiteten quasi der Standardmixer für kleine bis mittlere Anwendungen.
Das Ding hatte grob geschätzt Maße von 120 mal 80 mal 20 cm, kam serienmäßig im Case (das bildete
praktisch das Gehäuse) und war theoretisch ganz komplett ausgestattet. Ein graphischer EQ (zwei mal neun
Bänder) in der
Stereosumme war auch dabei. Elektrisch war das Gerät solide aufgebaut, Brummen gabs nicht und wenn
lags meistens am Netz. In den Eingängen gabs Trenntrafos, dick geschirmt im Guß (?) gehäuse, das
Innenleben war modular aufgebaut, die Potis neigten auch nach längerer Zeit nicht zum Katzen,
die Fader schon aber das ist auch heute noch nicht so selten. Die Platinen waren meiner Meinung
nach handgelötet. Soweit so gut. Die solide Bauweise forderte Opfer, das Aggregat wog so um
die 20 Kg.
Wie alles im Leben hatte das gute Stück natürlich auch seinen Haken. Der Rauschabstand beispielsweise
lag bei sagenhaften 70 dB, das heißt man hatte ständig das Meer auf der Anlage. Solange man den
graphischen Summenequilizer nicht benutzte ging das noch, sobald man aber einen der Regler noch oben schob
schäumte der Ozean! Ergo zogen wir höchstens ein paar Schmuddelfrequenzen runter, dann gings.
Die Klangregelung bestand aus einen Regler für Höhen und einen für Bässe. Das wars. Gott sei Dank
waren die Regler aber so effektiv das sie meistens trotzdem reichten, da war in der Entwicklungsabteilung
von "Vermona" eindeutig gedacht worden.
Auch wenn ich seinerzeit anderer Meinung war gehe ich heute davon aus das die serienmäßigen
Macken dieses Gerätes nicht auf Schlamperei oder
mangelndes Knowhow des Herstellers zurückzuführen waren sondern auf die Qualität der verbauten
Elektronikteile.
Jahre später, das muß schon so Mitte der Neunziger gesesen sein, benutzten wir so einen 1222
noch mal als Proberaummixer weil uns die andere Konsole geklaut worden war. Zwei Kanäle waren
kaputt, das heißt sie entwickelten Nebengeräusche, so eine Art "Prasseln", als wenn man Erbsen in einen
leeren Blechtopf kippt. Aus purer Neugier hab ich das Ding aufgeschraubt und durchgemessen.
Die Transistoren in den Eingangsstufen waren angeschlagen. Ich hab sie dann mit vergleichbaren
Transistoren aus neuerer Produktion ersetzt. Was soll ich euch sagen, die beiden Kanäle waren
danach deutlich ruhiger als ihre Artgenossen.
In dem Zusammenhang ist es vielleicht noch ganz interessant zu erwähnen das die Schaltpläne
für alle DDR-Geräte relativ leicht zu beschaffen waren. Wenn sie nicht schon zum Lieferumfang
gehörten dann gab es sie als Nachdrucke in den diversen Publikationen zum Thema Elektronik. Als
ich den Schaltplan für den Mixer suchte hab ich mich einfach mal ein Stündchen in die Rostocker
Stadtbibliothek begeben und wurde prompt fündig. Irgendein Autor hatte anhand dieses Mixers
Anfänger in die Mysterien der Audioelektronik einweihen wollen. Ob ihm das gelungen ist weiß ich
nicht, mir hat er damit jedenfalls geholfen.
Das bringt uns gleich zum nächsten Punkt, dem Eigenbau. "Kampfbasteln" gehörte ja praktisch zum
"Grundkurs DDR-Bürger" dazu, in fast jeder Schule gab es Elektronik-Zirkel für die Schüler, die
Bastlerzeitschriften waren voll mit Schaltungen aller Art.
Da nun vieles an Anlagenteilen nicht oder nur in unzureichender Menge hergestellt wurde war man
wieder auf Selbsthilfe angewiesen. Alles was irgendwie nachgebaut werden konnte wurde auch nachgebaut.
Frequenzweichen, Verstärker, PA-Boxen, ganze Lichtanlagen inklusive Traversen und Dimmerpacks,
Kleinmischpulte, Effektgeräte, die ganze Palette hoch und runter.
Meiner erster Overdrive war eine sehr bühnentaugliche Kopie des "Boss-OD" und klang verdammt brauchbar.
Zu haben waren diese Teile für 400 bis 500 Mark, steuerfrei, versteht sich.
Genauso wurde auch alles wieder repariert was irgendwann mal den Geist aufgab.
Für alle die sich mit so etwas auskennen, schaut euch mal das Mikrokabel des netten Herrn auf dem
Foto ganz oben an. Fällt euch was auf? Richtig, das ist gar kein Mikrokabel! Das heißt, damals
nannten wir es durchaus so und es erfüllte auch seinen Zweck. Allerdings hatte diese Art "Strippe"
nicht viel mit dem gemein was man sich heutzutage darunter vorstellt. Besonders die Abschirmung
ließ immer wieder zu wünschen übrig. Zusammen mit den Eigenarten der restlichen Technik ergab das
mitunter erstaunliche Effekte, Radioempfang über die Anlage zum Beispiel. Unser Tontechniker ist dann
jedesmal wahnsinnig geworden und tauschte solange Kabel aus bis das Poblem gelöst war.